Pünktlichkeit ist eine Zier …

Offen gestanden mag ich Beschwerden nicht. Das liegt vielleicht daran, dass ich so viele Jahre als Kunstkritiker gearbeitet habe und das Beschweren in etwa die Funktion inne hat, wie die Luft, die wir atmen. Meistens bemerkt man sie nicht, aber ohne sie geht es nicht. Sie ist der Hintergrund, die Energiequelle, mit der wir alle Prozesse in Gang halten. Wenn ich mich nicht im geistigen Back-Office über schlechte Kunst beschwere, warum sollte ich dann ein negatives Wort darüber verlieren? Nun gut, ich glaube, ich kenne mich mit Beschwerden aus. Nachdem mir gestern der Bus vor der Haustür und Nase davon gefahren war — natürlich ohne Not –, konnte ich nicht anders: Ich habe mich mit nachstehendem Brief beim RVV beschwert. Erst wollte ich einen eigenen Text daraus stricken. Nun aber mache ich den originalen Wortlaut (mit ein paar sprachlichen Verbesserungen) hier öffentlich.

Barbing, 21.02.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gibt generelle und spezielle Probleme auf Ihren Linien 30 und 31. Damit erzähle ich Ihnen sicher nichts Neues. Und abgesehen von dauernden Verspätungen und Ausfällen (Beispiel: Linie 31, eigentlich planmäßig 7.51 Uhr von Barbing West — ist nie pünktlich) scheinen die Busfahrer erheblich unter Druck zu stehen. Das hat gewiss mit den generellen Problemen zutun, und die haben zur Folge, dass Busfahrer auf sie zu rennende Fahrgäste absichtlich übersehen und stehen lassen. So geschehen mir vorhin an der Haltestelle Barbing West, als ich den immer verspäteten 7.51-Uhr-Bus Richtung Stadt (R-BO 234) bekommen wollte. Leider ignorierte mich der Fahrer. Ich lief frontal auf das Fahrzeug zu. Er musste mich also gesehen haben. Ein spezielles Problem: nichts Besonderes.

Das spezielle Problem ist daher nur eine Seite des Blatts mit unendlichen Nerv-Geschichten auf diesen Linien. Das generelle ist ein anderes. Die Linien 30 und 31 sind, ich sage es als Barbinger Fahrgast seit 2011, Pest und Plage. Generell sollte der RVV unbedingt einmal einen oder mehrere Gedanken daran verschwenden, Routen und Konzepte für Fahrten ins Regensburger Umland und in die Umkehrrichtung zu überdenken. Wenn seit 30 Jahren keine Zeitquanten (Aussage eines Busfahrers, der seit 31 Jahren bei Ihrem Unternehmen arbeitet, und von meiner Frau, einer waschechten Barbingerin) auf einer Linie verändert werden, jedoch dauernd neue Haltestellen dazukommen und sich der Verkehr immer weiter verdichtet, braucht man sich nicht zu wundern, wenn Fahrer wie Mitfahrer am Rande des Nervenzusammenbruchs nur noch auf- und gegeneinander und zuguterletzt auf Ihr Unternehmen fluchen.

Vielleicht können sich Ihre Planer nicht in die Fahrgäste und Busfahrer*innen hineinversetzen. Ich wage das nicht zu beurteilen. Mich wundert es nur, wie geduldig die meisten Mitfahrenden Tag für Tag Verspätungen und teilweise unbotmäßiges Verhalten der Fahrer tolerieren. Allerdings möchte ich mich damit nicht zufrieden geben. Als gelernter Journalist werde ich die mir eigenen Möglichkeiten nutzen, um auf diesen Zustand nicht zuletzt im Namen der Schulkinder, denen es ja ganz genauso wie mir geht, aufmerksam zu machen. Und es kostet wirklich viel Zeit. Seit Jahren schon nehme ich einen Bus (30 Minuten) vor der nötigen Abfahrt früher, wenn ich einen Anschluss per Zug brauche. Das gilt im Prinzip für Termine aller Art. Das Schlimmste ist jedoch das permanente Ausfallen und Verspäten am Hauptbahnhof zwischen 16 Uhr und 18 Uhr (Linie 30). Bei Witterungen wie heute holt man sich auf dem zugigen Steig gern einmal eine Erkältung. Ganz zu schweigen von den Kosten toter Zeit, die Tag für Tag auflaufen!

Bitte glauben Sie mir, dass es mich sehr anstrengt, meine Zeit für solche Probleme zu vergeuden. Aber ich erinnere mich noch an ein Gespräch vor Jahren mit einem damaligen Pressesprecher. Da wurde mir verheißen, es werde alles besser, wenn die Ampeln entsprechend Grün schalten, sobald ein Bus auf sie zurolle. Das ist — warum auch immer — im Landkreis wohl nicht der Fall. Erklären kann das aber auch nicht, warum nach einer roten Ampel im unmittelbaren Stadtgebiet bei leeren Straßen und ebensolchem Bus auf Höhe der Feuerwehr bereits vier Minuten Überfälligkeit erzeugt werden (dies mehrfach beim Spicken auf das Busterminal beim Fahrer entdeckt). Da kann doch etwas in der Planung der Routen nicht stimmen! Wenn aber 30 Jahre (mindestens) nichts an der Struktur geändert wird, ist diese Fehlkalkulation mit oben beschriebenen Folgen für alle Beteiligten natürlich kein Wunder. Vielleicht überarbeiten Sie doch einfach mal die Pläne. Ihre Fahrgäste werden es Ihnen danken! Als Jobticket-Nutzer habe ich allerdings schon meine Konsequenzen gezogen: Ich werde das tun, was ich als überzeugter ÖPNV-Nutzer eigentlich hasse: mir ein E-Auto zulegen und selbstbestimmt fahren. Das war, glauben Sie mir, niemals meine Absicht. Und ist es bis heute nicht. Aber da ich die Wahl habe, wähle ich. Nur nicht mehr Ihr Unternehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Kampmann