Vom technischen Bild zur Handlungsanweisung zur Malerei

Überlegung zu Jirka Pfahl, Ich war ja jetzt in New York, glue, Berlin, 2004

Jirka Pfahl, Glue

Dass nichtsprachliche Zeichensysteme Appell-Strukturen aufweisen, ist ein altbekannter Topos der Kunstgeschichte: Die «Lauscherin» in Nicolas Maes Bild (ca. 1655) zieht den Vorhang beiseite, gibt den Blick frei auf ein privates Geschehen und macht uns zu Komplizen ihres Voyeurismus über Blick, Geste, Tat. Der konventionelle Rahmen des Bildes gilt aber heute so nicht mehr. Der Einkaufswagen in Jirka Pfahls Arbeit ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie ein Bildzeichen, als Appell verstanden, vorgeführt werden kann: Aus einem Objet trouvée, einem kleinen GIF-Bild, gefunden im Internet, wird das überlebensgroße Wandzeichen qua technischer Transformation. Nun handelt es sich hier um zwei Konstruktionszeichnungen, was das Verstehen der Arbeit nicht erleichtert. Das Ingenieurhafte aber lässt zweierlei ereignen: Es verursacht «Sachlichkeit» und zeigt mit idealen Maßangaben die Möglichkeit zum Bau des zentralen Gefährts unserer konsumeristischen Gesellschaft an, so ideal wie Leonardos «Homo ad Circulum». Diese Beherrschtheit kontrastiert den zweiten Appell, den impliziten Imperativ, welcher durch den Blick auf das Gefährt unwillkürlich getriggert wird: Gehe einkaufen! Und nimmt ihn gleichermaßen wieder zurück. Die Beschaffenheit der Arbeit suspendiert demgemäß die Rhetorik von der Verpflichtung zur Überzeugung, und man vermag sich nun anscheinend neutral dem Gegenstand zu nähern, da er ja kontextenthoben als Blow up im Weiheraum der Kunst und weder auf CAD-Bildschirm des Kontrukteurs, noch als Prothese an den Händen des Konsumenten oder als Icon unter dem Mauscursor des Internet-Käufers erscheint. Doch über diese zweidimensionale Welt der Alltagszeichen bricht ein Anderes herein, das Andere der Malerei. Gegen die europäische Leserichtung von rechts oben herein und überdeutlich sichtbar, wird der Bildträger zur Referenz auf die Malerei. Simultan verschränken sich somit ganz diverse Bilddiskurse materialiter, sinnhaft und in ihren Korrelaten und dies nicht moralisierend, sondern ganz unspektakulär, unaufgeregt.