Im Sog der Repräsentationslogik des White Cube

Im Jahr 2001 startete Michael Mandiberg seinen „Shop Mandiberg“ und erzielte in kurzer Zeit größte Aufmerksamkeit. Der Gedanke, das komplette Hab und Gut über eine für damalige Verhältnisse professionelle Oberfläche zu veräußern, hatte etwas bezwingend Widerständiges mit Blick auf den seit ca. 1997 florierenden kommerziellen Bereich des Webs. Der Ende 2001 geschlossene Internet-Laden ist immer noch zu besuchen.[1] So kann man sich beispielsweise die verkauften Artikel ansehen.

Und weiter ging es mit sehr spannenden Einfällen, etwa der Auseinandersetzung mit Appropriation Art auf „AfterSherrieLevine.com“.[2] Derlei Konzepte spiegelten die bis dato recht unausgegorene Vorstellung über den Status des Originals oder des Werkbegriffs im Allgemeinen und öffneten durch die Möglichkeit des Downloads relativ hochaufgelöster Daten die Frage nach dem Urheber selbst der Konzepte. Bin ich als User, der sich das Portfolio lädt und adäquat ausprinten lässt, diese Bilder exponiert, nicht auch Bestandteil eines kollektiven, schöpferischen Prozesses? Eine Leerstelle, die Sherrie Levine, deren Werk zum Beispiel den Zweck erfüllen sollte, die Ehrfurcht vor den in der Regel männlichen Heroen der Kunstgeschichte zu verlieren, um Bild-Autor-Relationen besser untersuchen zu können, aufgrund ihrer noch der personalen Identität des Künstler_innenbegriffs verschriebenen Konzeptualität nicht zu füllen vermochte.

Spannend gleichfalls sein „Essential Guide“ (2002), der beschreibt, wie man sich Mandibergs Identität aneignet.[3] Gleichfalls das Visualisierungsplugin, das die C02-Produktion von Reisefirmen in deren Webseiten einspiuegelte („Real Costs“, 2007), überzeugte durch ein treffsicheres Konzept in Form einer Intervention.[4] Allerdings erwecken jüngere Arbeiten den Eindruck, als habe sich der Einfallsreichtum erschöpft. Heute entstehen Werke wie „Ransom Money, 1 Million Iraqi Dinar in a Zero Haliburton Case“ von 2012[5], das auf materiell-symbolischer Ebene wie ein konventionelles Konzept kanonisch angewandter Strategien anmutet und ein schickes Objekt für den White Cube darstellt. Damit folgen derartige Arbeiten der normierten Repräsentationslogik des Kunstsystems. Eigentlich erstaunlich, wenn man an die bereits historischen Arbeiten denkt.

[1] S. http://mandiberg.com/shop/.
[2] S. http://aftersherrielevine.com sowie http://www.afterwalkerevans.com.
[3] S. http://turbulence.org/Works/guide/.
[4] S. http://therealcosts.com/.
[5] S. http://www.mandiberg.com/ransom-money/.

Zwiebelhäute der Unfreiheit

Wollen sie in einer Gesellschaft leben, in der Ihnen Haushaltsgeräte, etwa eine elektrische Zahnbürste, diktieren, wie lange sie putzen oder sonst etwas tun müssen? Sie können einwenden, man müsse nicht auf das kleine, scheinbar hilfreiche Feature achten, das im Falle des Geräts, das der Autor verwendet, alle 30 Sekunden vibriert und nach nur zwei Minuten mit einem etwas längeren Endrüttler zu verstehen gibt, dass man sein Soll erfüllt habe. Abgesehen davon, dass es sicher sinnvoller gewesen wäre, die Entwicklung kluger Akkus zu forcieren, als ein solches Gimmick einzubauen, ist das Ignorieren derartiger Gängeleien sowieso nur mit wenig Erfolg beschieden. Sie werden, da gehe ich jede Wette ein, unter solchen Putzbedingungen konditioniert, kontrolliert, strukturiert. Der Schreiber hier weiß, wovon er schreibt. Und wird wieder einmal an das kleine Foucaultsche Einmaleins der Disziplinar- und an Deleuzes Kontrollgesellschaft erinnert.

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Alte Meister und Allan Sekula

Im vergangenen Monat erlebte ich die wunderbare Arbeit der Kuratoren der Alten Pinakothek, München, wie sie Teile der Bestände der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in ihr Haus führten und zu einer fantastischen Ausstellung über Typologie, Präfiguration und Darstellungen des Alten Testaments zusammen komponierten. Meine Rezension unter dem Titel „Ein Netzwerk der Verheißungen“ dazu im artmagazine.cc.

Allan Sekula war ein engagierter Künstler, der ein höchst spannendes Werk hinterlässt. Er starb am 10. August. Einen Nachruf habe ich für das artmagazine.cc verfasst.

Reduktion mit politischem Teewürfel

In assoziativer Anwendung des Begriffs «Minimal» zeigt das Neue Museum, Nürnberg, eine in Teilen höchst amüsante Ausstellung mit Werken von Künstlern, die sich mit dem Geometrismus, aber auch mit der Minimal Art auseinander setzen. Die Gestaltung der Räume besorgte Gerwald Rockenschaub. Wer nach Nürnberg kommt, sollte sich die Schau nicht entgehen lassen. Hier meine Rezension fürs artmagazine.cc.

Herkules im Olymp

Kassel. Das Welterbekomittee der UNESCO hat in seiner Sitzung am 23. Juni in Phnom Penh, Kambodscha, beschlossen, den Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt aufzunehmen, berichten Sprecher der Museumslandschaft Hessen Kassel. Das Komitee schätzt das Ensemble «als einzigartige Kulturlandschaft» ein: Die Experten würdigten die Kasseler Wasserspiele als «außergewöhnliches und einmaliges Beispiel monumentaler Wasserbaukunst des europäischen Absolutismus». Als Erbe der Menschheit gilt nun gleichfalls die monumentale Herkulesfigur. Sie sei technisch und künstlerisch die anspruchsvollste Großskulptur der Frühen Neuzeit. «An keinem anderen Ort der Welt sei jemals eine am Hang gelegene Parkarchitektur mit vergleichbaren Ausmaßen und einer technisch so vollkommenen Wasserarchitektur ausgestattet worden, wie in Kassel seit 1691 unter Landgraf Karl», zitiert das Museum die Einschätzung der UNESCO.

Herkules - Bergpark Wilhelmshöhe, Kassel. Foto: MHK

Der Bergpark Wilhelmshöhe ist die 38. Welterbestätte in Deutschland. Seit 2007 arbeitete Kassel an dem Antrag zur Aufnahme, der 18. Januar 2012 der UNESCO in Paris übergeben wurde. Die UNESCO-Liste des Welterbes umfasste im Juli 2012 insgesamt 962 Denkmäler in 157 Ländern. Davon waren 745 als Kulturdenkmäler und 188 als Naturdenkmäler gelistet, weitere 29 Denkmäler wurden sowohl als Kultur- als auch als Naturerbe geführt.

(c) Foto: MHK

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Time-Out in Regensburg

Als ich die nachstehenden Zeilen schrieb, wohnte ich gut fünf Jahre in Regensburg. In der Zwischenzeit erlebte ich Andrea Madesta, Ulrike Lorenz und Agnes Tieze als Direktorinnen des Kunstforums Ostdeutsche Galerie. Nicht ganz so schlimm, wie der S04, aber dennoch: fünf Jahre, drei Dikretorinnen: Was für ein Schnitt. Währenddessen hing die Sammlung so wie die Sammlung hing. In den fünf Jahren bewegte sich nicht allzu viel. Heute, im Jahr 2020, sieht es anders aus. Ich kann nicht sagen, ob ich die neue Hängung besser finde. Aber was ich damals als schlecht werten musste, steht in den weiteren Ausführungen.

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Desiderat Kunsthalle

25. April 2013: Der Frühling ist angekommen. Endlich. Während der Raucherpausen muss nun nicht mehr unnütz um die Häuser gezogen werden, weil das Stehen nur Frieren bedeutete. Kurze Runde Richtung Neupfarrplatz und im Regensburg Synagogue Memorial (2005) von Dani Karavan ein Plätzchen finden. Hier ist alles so gemütlich. In diesen maihaften End-Apriltagen wärmt die Sonne schon am Vormittag. Der Kunstbetrieb läuft allerorten auf Hochtouren. Berlin rüstet sich gerade fürs Gallery Weekend. Damit kann die “ewige Reichsstadt” nicht aufwarten. Spannend ist es hier eigentlich nur im Kleinklein der umtriebigen Kulturschaffenden, etwa beim GRAZ. Wir wäre es denn jetzt mit einem Spaziergang zur zeitgenössischen Kunst? Ein Fest bei diesem Wetter. Aber da ist nichts.

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