Brioche gegen 25 Prozent

Die Angst isst mit wenn Demokratien kippen

Die freiheitlich demokratische Grundordnung ist verlässlich. Sie steht, stark und fest, als Struktur und Halt unseres Landes. Die wichtigste Veröffentlichung des politischen Jahres hat der BND zwar nicht öffentlich vorgenommen, aber immerhin haben es andere bereits kommuniziert. Mit Erleichterung konnte daher die Nachricht aufgenommen werden, dass das Ergebnis jahrelanger Prüfung keinen Zweifel daran lässt, dass die selbst ernannte AfD gesichert rechtsextremistisch ist. Aber: Derzeit sind 25 Prozent in der Bevölkerung der Auffassung, diese Partei wählen zu müssen, wenn denn Bundestagswahl wäre. Die realen Ergebnisse vom 23. Februar waren leider schon erschütternd genug, und viele Gespräche mit Mitmenschen selbst im kleineren Umfeld deuteten daraufhin, dass sich diese Partei normalisiert hat. Und dass es schlimmer werden wird. Das schmerzt echte Demokraten, denn diese Truppe hat es noch nie gut mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gemeint. Das Verstörende daran ist, wie diese 25 Prozent das zunehmend rüpelhafte Benehmen im Parlament gutheißen. Stillschweigend. Seltsam auch, dass Androhung körperlicher Gewalt gegen Andersdenkende durch verwässterte Braunzonen nach ultrarechts keine eindeutigen Bekenntnisse seitens dieser Partei triggerte. Dann schon wieder besser ins Bild passend war, dass Nachrichten, wie deutlich sie auch waren, ob Spione aus China, Kriminelle und verurteilte Straftäter im Bundestag, zweckentfremdete oder widerrechtliche Parteispenden oder Russlandhörigkeit, nicht dazu führten dass sich unsere 25-Prozent-Mitmenschen nicht einfach abwendeten. Und Anstand einforderten. Nein, das aber heißt, dass sie sich positiv zu Chrupalla, Weidel oder Höcke stellen.

Abkehr? Die ist nicht passiert. Man frage sich daher bitte, was in diesem Land gerade los ist. Nach wie vor versuchen uns Menschen einzureden, dass wir in Gefahr seien, von Dschingis Kahn und den Wilden Horden sowie von Erdgeistern und Chemtrailern überollt zu werden. Gerade sieht man es im lokalen Supermarkt. Es werden wieder Regale leergekauft. Erinnerungen an La Corona werden wach. H-Sahne ist bei uns ausverkauft. Da schwirren die Impfmücken. Und das schon seit über zwei Wochen. Der Trend, Sahne einzulagern, verdankt sich vielleicht eines Bonmots einer ehrlichen Herrscherin: „Qu’ils mangent de la brioche !“ Aber was wäre eine Brioche, also ein Apostelkuchen, ohne Sahne? Trocken. Korrekt. Also gehen wir irgendwann um oder nach oder vor 2030 in die Bunker und essen von morgens bis abends Brioche und verdrängen dabei die Realität, dass wir weder verteidigungsfähig noch ganz fit sind. Aber bitte mit Sahne! Ganz dem roten Pfeil der Alice und Beatrix Lestrange folgend, der, mit Verlaub, erheblich an eine Hybride aus dem Logo eines Ex-Internetbuchgroßhandels und den Streifen auf gewissen US-Turnschuhen einer an das antike Griechenland gemahnenden Marke erinnert. Die Abmahnfreiherren von Gravenreuth könnten so langsam gern aus den Gräbern kommen, um der nachlässigen Kreativlosigkeit eins auf den Deckel zu geben.

Man darf als Politker:in nicht das Wahlvolk schelten. Das darf man auch als Medium nicht. Die Kritik an dieser Partei ist in allen Facetten vorgebracht, und das Verhalten ihrer Akteure ist Kritik an sich und Kritik genug. Also wo bleibt was hängen? Was sollen wir tun? Was stellen wir uns vor? Wir werden sehen. In den USA haben wir das Echtzeitprogramm a la USA. In Russland haben wir das Echtzeitprogramm a la Russland. Irgendwie werden wir es sehen und erleben. Hoffentlich auch überleben.

Fiktionsrepublik Deutschland

Heute kam mir zu Ohren, dass in einer kleinen Stadt, die in einem nicht sonderlich bedeutenden Talkessel im Bundesland liegt, aus dem ich stamme, folgende Mär kursiert: Die Familie des Kanzlerkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen bauten in Dänemark ein Kernkraftwerk. Diese surreale Geschichte verbreitet sich dort via Pizzeria. Ich weiß nun nicht, wer der Inhaber dieses Restaurants ist. Ich habe zudem im Netz bislang keine Spuren dieser Geschichte finden können. Aber das ist faszinierend. Während Drohnen Einrichtungen der Bundeswehr ausspionieren und aufgrund von technischen Besonderheiten nicht zu stören sind, kursieren derartig schrille Gerüchte.1

Tausende Fake-Accounts versuchen, die Meinung der Bürger:innen zu beeinflussen.2 Wir wissen längst, woher das alles kommt. Währenddessen geben noAfD und noBSW die Putin-Versteher und agieren von innen als Verräter der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ich frage mich, was wir noch alles erdulden müssen, bis wir endlich mal verstehen, dass wir echte Probleme haben. Und ja, auch die Immigration ist ein Problem. Aber zur vernünftigen Bearbeitung und Erarbeitung von menschlichen Lösungen (schneller Arbeit ermöglichen, einheitliche Datenbestände usw.) kommt es nicht mehr.

Währenddessen fiktionalisieren Feinde unsere Alltage, und die Gutgläubigen verkriechen sich in ihre Angstkokons und bemerken nicht, dass ein Weiterso an den Abgrund führt. Und sie bemerken nicht, dass die Rattenfänger ihnen suggerieren, sie könnten immer so weiter Sprit verbrennen, um nur ein Beispiel zu nennen für die fehlgeleitete öffentliche Aufregung. Das Ende vom Lied kennen wir. Dexit schafft Armut und Isolation. Dann bauen wir weiter Autobahnen, und am Ende wird irgendeine Bevölkerungsgruppe zum Sündenbock gemacht und ermordet. Ja, so drastisch sieht das Ende aus, wenn die noAfD regieren sollte. Und was das noBSW produziert? Na ja. Leute, kommt zur Vernunft! Euer Leben, Eure Freiheit steht auf dem Spiel.

  1. https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/drohnen-spionage-husum-100.html ↩︎
  2. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/schwerpunkte/DE/desinformation/desinformation-russlands-angriffskrieg.html ↩︎

Zerbrochene Bilder

Celluloid Crazy

Das Jahr nimmt seinen Lauf, und die Unvernunft scheint gleichfalls zu grassieren. Urlaubsstimmung. Nimm den Leuten ihre Gewohnheiten, und sogleich steigen die Aluhüte maskenlos in ihre Fahrzeuge, machen mobil und gehen ungeschützt auf die Straßen Berlins. Geschätzte 500.000 sollen es heute werden.* Sie beschwören mit ihren schwarzweißroten Fahnen die zurecht untergegangenen Kaiserreiche des Unrechts. Und sie bemerken nicht, wie das sehnlichst herbeigewünschte System sie selbst ab- und verspeisen wird in und mit legitimationsloser, unkontrollierter Gewalt. Hatten wir doch schon alles. Trotz Hut vor Kollektivsingularen: Man wird den Eindruck nicht los, als seien dies die zappelig-halbtrotzigen Manifestationen eines unterschwelligen Todestriebs, der Demokratien inne zu wohnen scheint. Ist das zynisch? Übertrieben? Was machen siebzig Jahre Frieden mit einem Teilchen der Menschen hierzulande? Was da zu sehen ist, ist schwer erträglich und erinnert an die netten Menschen mit den lustigen Bemalungen und Kleidern, die in «Mars Attacks» oder «Independence Day» die scheinbar friedlichen Aliens erwarten: Halb-Nazi-Lemminge im hirnlos-impfgegnerischen Wohlstandsfett. Dabei zerbrechen beinahe die Bilder von einer friedlichen Gesellschaft, die durch die Freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) eigentlich den besten nur denkbaren Kitt, Halt und Freiheitsgaranten bekommen hat, der nach der Zeit des Faschismus vorstellbar war. Das Jahr nimmt seinen Lauf, das Virus auch. Wir werden es sehen.

Update, 03.08.2020: Lustige Zahlenräume 20k? 1,3 Mio? Liebe Fakeburger, wenn Ihr Euch mit Gouda zudeckt, seid Ihr vor Erd- und Luftbestrahlung sicher und auch vor zu wenig Anteilnahme. Emmentaler oder Leerdamer tun’s auch. Die Scheiben sollten ca. 5 Millimeter dick sein. Dann erst hilft der Cheese Shield. Bitte vorher auf jeden Fall mit Bio-Remoulade einreiben. Für diejenigen, welche den nicht brauchen, stehen die Infos hier: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/corona-demo-berlin-109.html.

Weniger erregend

Kein Frosch in der Maske. Foto: © Matthias Kampmann, 2020

Die Nichtraucher echauffierten sich über all diese Kippen im Grün. Das Ordnungsamt recherchierte die Schuldigen von wilden Müllplätzen. Und was sonst noch alles in der alten Welt vorkam, blieb niemandem verborgen, und man konnte bisweilen nur den Kopf über die Ignoranz der Bürger*innen schütteln, die Wege verschmutzten. Und die Hunde erst. Besser: der Hundekot. Ja, das waren gute alte Zeiten, in denen Aufreger über die Schmutzfinken noch solche waren. Mit Vergnügen und Wehmut erinnern wir uns an die kotgefüllten Plastiktüten, die von Hundebesitzern am Wegesrand liegen gelassen wurden. Und als Hundebesitzer fragte ich mich, warum man das nicht mitnehmen konnte. Und heute? Heute verlieren die Aluhüte nicht nur Kopf, Contenance und Verstand, sondern auch ihre Masken. Und wahrscheinlich nicht nur die. Und die liegen mittlerweile überall in den Anlagen. Ich frage mich, ob unter den Maskenwegwerfern auch Hundehasser sind. Oder Wildmüllkippenbauer. Und was sagt mir das, dass ich das frage? Aber möchte ich eine Antwort? Ist das das neue Normal? Was normal ist: War es früher kacke, den Kot liegenzulassen, ist es heute Mist, die Masken überall fallen zu lassen. Daran ändert selbst ein aggressives Virus nichts.

Die Gegenwart: eine Groteske

Dystopia in Ratisbon

Geistertag zwei. BVB gewinnt wieder und wird sich von Götze trennen. Währenddessen pustet Thüringen bald jegliche Vorsicht in die Winds of Change. Und Meister Ramelow kraxelt über sieben Karat schwere Brückenpfeiler am Rande staatlich verordneten Föderalwahnsinns. Ich ziehe mir eine Plastiktüte über den Kopf. Dann bekomme ich nichts von der verseuchten Atmosphäre da draußen mit.

Übrigens wechselte ich 2014 von WordPress nach Drupal, weil der Blog vor lauter Müll von draußen nicht mehr zu pflegen war. Heute habe ich Gantz: O gesehen. Gegenwärtig helfen Dystopien. Als wäre die Gegenwart etwas anderes.

Pünktlichkeit und Freundlichkeit

Hier ein Nachtrag zum Beschwerdebrief vom vergangenen Freitag. Es geht wieder einmal um die Linie 31, wieder einmal um den Bus, der normalerweise 7.51 Uhr abfährt, wieder einmal um einen Bus der Deutschen Bahn, wieder einmal um das Fahrzeug mit dem Kennzeichen R-BO 234, möglicherweise um denselben Fahrer wie Ende letzter Woche. Dieses Mal fuhr der Fahrer mit drei Minuten Verspätung die Haltestelle erst gar nicht an.

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Pünktlichkeit ist eine Zier …

Offen gestanden mag ich Beschwerden nicht. Das liegt vielleicht daran, dass ich so viele Jahre als Kunstkritiker gearbeitet habe und das Beschweren in etwa die Funktion inne hat, wie die Luft, die wir atmen. Meistens bemerkt man sie nicht, aber ohne sie geht es nicht. Sie ist der Hintergrund, die Energiequelle, mit der wir alle Prozesse in Gang halten. Wenn ich mich nicht im geistigen Back-Office über schlechte Kunst beschwere, warum sollte ich dann ein negatives Wort darüber verlieren? Nun gut, ich glaube, ich kenne mich mit Beschwerden aus. Nachdem mir gestern der Bus vor der Haustür und Nase davon gefahren war — natürlich ohne Not –, konnte ich nicht anders: Ich habe mich mit nachstehendem Brief beim RVV beschwert. Erst wollte ich einen eigenen Text daraus stricken. Nun aber mache ich den originalen Wortlaut (mit ein paar sprachlichen Verbesserungen) hier öffentlich.

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Sprachlos im Status quo

Textstelle [1]: Wer gibt den Ausgegrenzten auf der Flucht eine Stimme? Klaus-Michael Bogdal konstatiert in seiner 2011 erschienenen literaturwissenschaftlichen Studie über die „Erfindung“ der Zigeuner, dass eine gewisse Form von Historizität und Bedeutung erst mit einer eigenen Sprache zugestanden wird. Das jedoch haben die flüchtenden Menschen in Not heute nicht, da sie aus ganz unterschiedlichen Staaten stammen und nicht mit „einer Stimme“ reden. Damit wird diese Sprachlosigkeit auch zur Waffe für diejenigen, welche versuchen, jene Menschen durch nautische Metaphern zu dehumanisieren.
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Gemeiner Eigennutz

Der Mieterbund Regensburg entbindet Mitglieder nicht sofort aus dem Verein, sondern verlangt die Kündigung ein Vierteljahr vor Ablauf. Ist das nicht geschehen, zahlt man ein volles Jahr weiter. Das ist Abzocke und hat im gesamten Verband Methode. Die Verbraucherzentrale sagt zwar: normal. Moralisch finde ich jedoch hier ein Defizit vor. Als ich Dezember 2015 austreten wollte, verwies man mich auf die Satzung. Na klar. Man kennt die ja auswendig. Oder ist die Methode „Pech gehabt“ hier Programm? Stellungnahme von Kurt Schindler, Vorstand? Fehlanzeige. Man zahlt also Jahrzehnte und bekommt einen Tritt in den Allerwertesten. Weiter so, liebe Gemeine mit Eigennutz. Nachtrag: Ach ja, dass so ein Verein mal eben den Betrag von ca. 65 auf 83,40 erhöht, ist bezeichnend.

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Zwiebelhäute der Unfreiheit

Wollen sie in einer Gesellschaft leben, in der Ihnen Haushaltsgeräte, etwa eine elektrische Zahnbürste, diktieren, wie lange sie putzen oder sonst etwas tun müssen? Sie können einwenden, man müsse nicht auf das kleine, scheinbar hilfreiche Feature achten, das im Falle des Geräts, das der Autor verwendet, alle 30 Sekunden vibriert und nach nur zwei Minuten mit einem etwas längeren Endrüttler zu verstehen gibt, dass man sein Soll erfüllt habe. Abgesehen davon, dass es sicher sinnvoller gewesen wäre, die Entwicklung kluger Akkus zu forcieren, als ein solches Gimmick einzubauen, ist das Ignorieren derartiger Gängeleien sowieso nur mit wenig Erfolg beschieden. Sie werden, da gehe ich jede Wette ein, unter solchen Putzbedingungen konditioniert, kontrolliert, strukturiert. Der Schreiber hier weiß, wovon er schreibt. Und wird wieder einmal an das kleine Foucaultsche Einmaleins der Disziplinar- und an Deleuzes Kontrollgesellschaft erinnert.

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