Angestupst

Soziale Medien sind nicht sozial. Jedenfalls nicht diejenigen, die von narzisstischen Waschbeckenträgern wie Elon Musk, auf Pump finanziert, betrieben werden. Und selbst wenn der Ansatz von Herrn Zuckerberg demokratisch orientiert sein sollte, ist er dennoch offenbar nicht dazu in der Lage, persönliche Weltwunschbilder von notwendiger Funktionalität und Beteiligung zu unterscheiden. Beide Männer haben eines gemeinsam: Sie sind Tycoone gigantischer Firmen, die ihr Geld mit Werbung, verstecktem Datenhandel und Plattformen machen (s. Shoshana Zuboff, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus). Kund:innen denken jedoch, man äußere dort seine Meinung. Tut man auch, aber was heißt das schon. Meinungen lassen sich überall äußern. Auch im Wald vor lauter Bäumen und Bambis. Und Meinungen sind Meinungen. Journalismus ist etwas Anderes!

Ich bin vor gut drei Jahren gefragt worden, ob ich einen Text zu den Möglichkeiten von Kulturjournalismus in sozialen Medien schreiben könne. Konnte ich. Der Text wird im Frühjahr 2025 in einem Band über Kulturjournalismus im Springer-Verlag erscheinen. So lange wollte ich nicht warten. Und Platz hatte ich nicht so viel, wie es nötig wäre, um das Thema angemessen anreißen können. Außerdem konnte ich nicht dem Ansinnen des Herausgebers zu einhundert Prozent gerecht werden. Denn es gibt eine größere Aufgabe als die Beantwortung der Frage, wie denn diese Plattformen für journalistische Zwecke zu nutzen sind. Was es damit auf sich hat, wenn man versucht, mit sozialen Medien Journalismus zu betreiben, habe ich in meinem kleinen Essay «Angestupst», erschienen bei epubli im August 2024, beschrieben. Das ist übrigens mein erstes Buch, das ich komplett mit Open-Source-Tools geschrieben, gesetzt und gelayoutet habe. Daher an dieser Stelle mein Dank an alle Coder:innen von LaTeX [ˈlaːtɛç] und Scribus.

Matthias Kampmann: Angestupst. 100 Seiten, Format: A6 hoch, Hardcover 90g creme, matt, Erscheinungsdatum: 20.08.2024, ISBN: 9783759862464

EM, EU, Wahl und Wettbewerb

Dieses Turnier kommt zur richtigen Zeit. Es stecken einem die Wahlergebnisse aus der Woche davor in den Knochen. An Prozenten 16 gewann die AgD. Das ist eine Menge, und in der Verteilung auf die Bundesländer wundert es niemanden, dass gerade unsere östlichen Federal fellows einmal mehr gezeigt haben, an welcher Stelle ihr politisches Herz schlägt. Doswidanja. Und es ist bedauerlich, dass dort Andersdenkende sich noch bedrohter fühlen müssen. Einer braunen Mitte, deren Wahlmotivation mittlerweile völlig unerheblich ist, sei’s gedankt. Wir werden es erleben. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass die Übergriffe auf Menschen anderer Hautfarbe zunehmen werden.

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Talking to… Lessons in probability theory

Am 16. Dezember 2022 habe ich mit dem GPT-Sprachmodell «gesprochen». Wir haben seitdem und davor viel über diese Software diskutiert. Einer unserer klugen Köpfe in der Radical Dude Society meinte, das Spiel mit dem System und der öffentliche Diskurs sagten mehr über uns Menschen als über die Maschine aus. Das möchte ich sehr gern unterschreiben. In jedem Fall war mein «Erlebnis» mit dem Bot ChatGPT gefühlt so, wie es mir mit allen diesen Bots bislang gegangen ist, ganz gleich, wie gut sie programmiert waren oder sind: Ihre Begrenztheiten tauchen glücklicherweise alsbald auf, und man kann heutzutage trotzdem fasziniert von deren sprachlicher Korrektheit sein. Am Ende bleiben sie dennoch blöd wie Schraubenzieher.

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Das Gerede über Intelligenz

Intelligenz kommt weder von Intel noch von Microsoft, Google oder OpenAI. Viele Menschen scheinen das derzeit gern zu vergessen, aus welcher Motivation heraus auch immer. Es wird beispielsweise sehr viel über das Sprachmodell GPT der Firma OpenAI gesprochen. Ein Teil der Debatten kehrt sich dann immer wieder in seltsame, bisweilen esoterische Richtungen: Es wird der Stand des Machbaren mit dem Denkbaren verwechselt. Da wir weder auf dem Wüstenplaneten zu Zeiten des Mua’dib leben, als die Menschheit nach Beschluss die «denkenden» Maschinen zum Teufel gejagt und den Adel sowie die Religion wieder eingeführt haben, noch im heutigen Los Angeles, in dem kein Blade Runner zur Tyrell Corporation fliegt, um an zweifelhaften Subjekten den Voight-Kampff-Test durchführt, gilt das, was jetzt noch Schwerkraft ist: Maschinen haben weder Bewusstsein, Verstand noch Intelligenz.

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Zerbrochene Bilder

Celluloid Crazy

Das Jahr nimmt seinen Lauf, und die Unvernunft scheint gleichfalls zu grassieren. Urlaubsstimmung. Nimm den Leuten ihre Gewohnheiten, und sogleich steigen die Aluhüte maskenlos in ihre Fahrzeuge, machen mobil und gehen ungeschützt auf die Straßen Berlins. Geschätzte 500.000 sollen es heute werden.* Sie beschwören mit ihren schwarzweißroten Fahnen die zurecht untergegangenen Kaiserreiche des Unrechts. Und sie bemerken nicht, wie das sehnlichst herbeigewünschte System sie selbst ab- und verspeisen wird in und mit legitimationsloser, unkontrollierter Gewalt. Hatten wir doch schon alles. Trotz Hut vor Kollektivsingularen: Man wird den Eindruck nicht los, als seien dies die zappelig-halbtrotzigen Manifestationen eines unterschwelligen Todestriebs, der Demokratien inne zu wohnen scheint. Ist das zynisch? Übertrieben? Was machen siebzig Jahre Frieden mit einem Teilchen der Menschen hierzulande? Was da zu sehen ist, ist schwer erträglich und erinnert an die netten Menschen mit den lustigen Bemalungen und Kleidern, die in «Mars Attacks» oder «Independence Day» die scheinbar friedlichen Aliens erwarten: Halb-Nazi-Lemminge im hirnlos-impfgegnerischen Wohlstandsfett. Dabei zerbrechen beinahe die Bilder von einer friedlichen Gesellschaft, die durch die Freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) eigentlich den besten nur denkbaren Kitt, Halt und Freiheitsgaranten bekommen hat, der nach der Zeit des Faschismus vorstellbar war. Das Jahr nimmt seinen Lauf, das Virus auch. Wir werden es sehen.

Update, 03.08.2020: Lustige Zahlenräume 20k? 1,3 Mio? Liebe Fakeburger, wenn Ihr Euch mit Gouda zudeckt, seid Ihr vor Erd- und Luftbestrahlung sicher und auch vor zu wenig Anteilnahme. Emmentaler oder Leerdamer tun’s auch. Die Scheiben sollten ca. 5 Millimeter dick sein. Dann erst hilft der Cheese Shield. Bitte vorher auf jeden Fall mit Bio-Remoulade einreiben. Für diejenigen, welche den nicht brauchen, stehen die Infos hier: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/corona-demo-berlin-109.html.

Weniger erregend

Kein Frosch in der Maske. Foto: © Matthias Kampmann, 2020

Die Nichtraucher echauffierten sich über all diese Kippen im Grün. Das Ordnungsamt recherchierte die Schuldigen von wilden Müllplätzen. Und was sonst noch alles in der alten Welt vorkam, blieb niemandem verborgen, und man konnte bisweilen nur den Kopf über die Ignoranz der Bürger*innen schütteln, die Wege verschmutzten. Und die Hunde erst. Besser: der Hundekot. Ja, das waren gute alte Zeiten, in denen Aufreger über die Schmutzfinken noch solche waren. Mit Vergnügen und Wehmut erinnern wir uns an die kotgefüllten Plastiktüten, die von Hundebesitzern am Wegesrand liegen gelassen wurden. Und als Hundebesitzer fragte ich mich, warum man das nicht mitnehmen konnte. Und heute? Heute verlieren die Aluhüte nicht nur Kopf, Contenance und Verstand, sondern auch ihre Masken. Und wahrscheinlich nicht nur die. Und die liegen mittlerweile überall in den Anlagen. Ich frage mich, ob unter den Maskenwegwerfern auch Hundehasser sind. Oder Wildmüllkippenbauer. Und was sagt mir das, dass ich das frage? Aber möchte ich eine Antwort? Ist das das neue Normal? Was normal ist: War es früher kacke, den Kot liegenzulassen, ist es heute Mist, die Masken überall fallen zu lassen. Daran ändert selbst ein aggressives Virus nichts.

Die Gegenwart: eine Groteske

Dystopia in Ratisbon

Geistertag zwei. BVB gewinnt wieder und wird sich von Götze trennen. Währenddessen pustet Thüringen bald jegliche Vorsicht in die Winds of Change. Und Meister Ramelow kraxelt über sieben Karat schwere Brückenpfeiler am Rande staatlich verordneten Föderalwahnsinns. Ich ziehe mir eine Plastiktüte über den Kopf. Dann bekomme ich nichts von der verseuchten Atmosphäre da draußen mit.

Übrigens wechselte ich 2014 von WordPress nach Drupal, weil der Blog vor lauter Müll von draußen nicht mehr zu pflegen war. Heute habe ich Gantz: O gesehen. Gegenwärtig helfen Dystopien. Als wäre die Gegenwart etwas anderes.

Zwiebelhäute der Unfreiheit

Wollen sie in einer Gesellschaft leben, in der Ihnen Haushaltsgeräte, etwa eine elektrische Zahnbürste, diktieren, wie lange sie putzen oder sonst etwas tun müssen? Sie können einwenden, man müsse nicht auf das kleine, scheinbar hilfreiche Feature achten, das im Falle des Geräts, das der Autor verwendet, alle 30 Sekunden vibriert und nach nur zwei Minuten mit einem etwas längeren Endrüttler zu verstehen gibt, dass man sein Soll erfüllt habe. Abgesehen davon, dass es sicher sinnvoller gewesen wäre, die Entwicklung kluger Akkus zu forcieren, als ein solches Gimmick einzubauen, ist das Ignorieren derartiger Gängeleien sowieso nur mit wenig Erfolg beschieden. Sie werden, da gehe ich jede Wette ein, unter solchen Putzbedingungen konditioniert, kontrolliert, strukturiert. Der Schreiber hier weiß, wovon er schreibt. Und wird wieder einmal an das kleine Foucaultsche Einmaleins der Disziplinar- und an Deleuzes Kontrollgesellschaft erinnert.

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