Mein ganzes Leben habe ich geschrieben. Und dieses Leben währt nun 59 Jahre. War ich der Sprache würdig? Ja, nein, vielleicht? Lasst Gnade walten! Zum Glück kann Sprache selbst nicht richten. Sie muss erdulden, was ich mit ihr angestellt habe. Das schlechte Gewissen bleibt bei mir. Na, so schlimm ist es nicht. Außerdem kann man lernen. Habe ich gelernt? Das können nun andere beurteilen. Denn eine weitere Publikation mit 350 Texten von mir aus den Jahren 1993 bis 1997 ist jetzt auf dem Markt. Und dieses Buch mit dem Titel «Zeitungsweise» hat eine vielleicht ungewöhnliche Geschichte, die aus einer ungewöhnlichen Absicht heraus begonnen wurde, geschrieben zu werden.
Von 1991 an arbeitete ich für Regionalzeitungen: erst im Lokalen, dann fürs Feuilleton im Mantel des Westfälischen Anzeigers, aber auch für die Westfälische Rundschau und andere Blätter. Zeitungsarbeit: Ich habe sie geliebt und ich liebe Zeitungen noch immer. Kennen Sie Lou Grant? In meiner Traumzeit von 1977 bis 1982 wurde die US-Serie von der CBS ausgestrahlt. Hierzulande kamen wir bis 1982 im ZDF samstags um 18 Uhr in den Genuss der Abenteuer eines integren Redaktionsteams. Möglicherweise hat mich diese Serie zu «den Medien» geführt. Elf Jahre nachdem die 52 Folgen in Deutschland gelaufen waren, kaufte ich meinen ersten Mac, auf dem ich dann fließbandgleich neben meinem Studium Kunstjournalistisches zuwege brachte. Was macht man mit solch einem Vermächtnis? Reicht es, wenn man tags darauf, also nach Erscheinen einer Rezension, den Fisch darin einwickelt?
Lange hatte ich die Texte zu Unrecht vergessen. Aber seit 2020 kramte ich nach Feierabend fünf Jahre meiner Regionalzeitungsarbeit aus den Jahren 1993 bis 1997 aus ganz unterschiedlichen digitalen Archiven und begann damit, sie zu «restaurieren», denn die meisten der Dateien von damals ließen sich mit aktueller Software nicht mehr öffnen. Das betraf besonders die frühen Texte aus 1993, als ich im Frühjahr meinen allerersten Mac kaufte, denn ich experimentierte mit PageMaker, QuarkXpress, aber auch ClarisWorks etc. Und ich hatte nicht den blassesten Schimmer davon, wie anstrengend digitale Archäologie sein kann. Das Zeugs lag in Formaten vor, die heute nicht mehr «lesbar» sind. Das schönste, aber simpelste Beispiel: Meine Magisterarbeit und viele Zeitungstexte habe ich Mitte der 1990er-Jahre mit WordPerfect 3.5 für den Mac geschrieben. Jahre später versuchte ich die Dateien mit einer aktuellen Version auf einem Windows-Rechner zu öffnen. Das hat nicht funktioniert. Aber mit LibreOffice. Warum auch immer. Mit Emulatoren und der Originalsoftware konnte ich trotzdem alles, was ich digital aus den Jahren noch hatte, rekonstruieren. Besser wurde es mit StarOffice oder später Open bzw. LibreOffice.
Je nun: Die unredigierten Texte habe ich nach Feierabend aufgearbeitet und im Selbstverlag aus zwei Gründen zum Oktober dieses Jahr veröffentlicht: Ich habe einerseits an der Ostbayerischen Technischen Hochschule, Regensburg, wo ich Schreib-Lese-Forschung betrieb und Schreiben für Ingenieure unterrichtete, unter akuten Textbeispielmangel gelitten, um in den Schreibübungen Bewusstsein für schlechte Ausdrucksweisen und Stilblüten zu wecken. Und andererseits, das kam mir später erst beim Editieren zu Bewusstsein, war das Ruhrgebiet unglaublich reich an Kulturprogrammen allein hinsichtlich der bildenden Kunst. Über 350 Texte sind jetzt zusammen gekommen. Es sind leider nicht alle Rohtexte aus den Jahren, weil ein Haufen lediglich in Papierform, heißt gedruckt, vorliegt. Die habe ich bewusst nicht aufgenommen. Denn es sollte alles so schlecht oder recht sein, wie es aus meinem Hirn damals entsprang. Diese Textsammlung ist allerdings auch ein Zeichen der Großzügigkeit früherer Verleger, die diese Kultur mitgetragen haben.
680 Seiten, 45 Euro
ISBN: 9783565044092
https://www.epubli.com/shop/zeitungsweise-9783565044092
Und bei meinem Lieblingsbuchhändler, dem wunderbaren Hartmut Ober:
https://buecher-ober.buchkatalog.de/product/4099276460889193712