Zwanzig Jahre im Netz

Kein Nachruf, keine Nostalgie, bloß ein kleiner Erinnerungsfetzen an die Zeit, als ich meinen ersten Internetzugang einrichtete.

Nein, keine Worte mehr zum Jahreswechsel. Derzeit lautet nämlich die Devise „Sometimes it snows in April“. Aber was sagt mir die Zahl 2015? Wie immer: nichts. Ich habe es nämlich nicht so mit Geburtstagen, bin chronischer Vergesser zum Leidwesen meiner Umwelt, und auch meinen eigenen vergesse ich schon mal. Und doch fällt mir heute morgen dieses Jubiläum ein: 20 Jahre Internet. Bitte keine Nostalgie an dieser Stelle, oder? Warum auch. Ach ja, mit Blick auf die Schnelllebigkeit des Netzes erinnere ich mich daran, woher die Erinnerung kam: Die Netzpiloten feierten ihren 15. Geburtstag, und als ich das auf ihrer Site las, fiel mir mein persönliches Jubiläum wieder ein. Genaue Daten kann ich gar nicht angeben. Vielleicht hat das Rechenzentrum der Ruhr-Universität Bochum noch Hinweise über meinen ersten Zugang. Dort musste er damals beantragt werden. Es lagen noch Ausdrucke wie die „Yellow Pages“ bereit, Gopher existierte, und per Telnet konnte man sich in die British Library einloggen und recherchieren. Die Einwahl-Software erhielt der User auf Diskette. Klar, man konnte ja nicht ins Internet, um sie einfach downzuloaden. Vielleicht gibt es auch in den Überresten von CompuServe noch Datenspuren von mir. Wo lagern deren Akten eigentlich? Über das amerikanische Unternehmen holte ich mir den ersten Dialin, mit dem ich dann auch meine Zeitungsarbeit abwickeln durfte. In dieser Prä-Linux-Zeit war ich ein schlimmer Apple-Jünger. Was ich nicht begriff war die unmögliche Nerverei bei der Konfiguration des Zusammenspiels zwischen PPP und dem TCP/IP-Stack, der natürlich damals nicht so systemnah war wie in Linux-/Unix-OSes. Eine Qual. Bis ich 1998 „Pilot“ für T-Online in Sachen DSL-Test wurde. Ach ja, und damals schon begab ich mich auf die Suche nach Netzkunst und erinnere mich an das faszinierende „Technosphere“ von Jane Prophet und Gordon Kelly von 1995, an dem ich unbedingt mitmachen musste. Ob meine Kreaturen heute noch leben? Dieses Environment habe ich wirklich sehr gemocht. Mit wenigen Klicks bastelte man sich einen Fleisch- oder Pflanzenfresser zusammen und erhielt auf der Site des Projekts Statusberichte über den Lebenszustand dieser „Tiere“. In der Rückschau stelle ich fest, dass es gerade die Kunst im Netz war, die mich ins Internet gesogen hat. Meine erste Telefonrechnung belief sich trotz Ortstarif über 300 Mark. Tja, das waren noch Zeiten…