Das Gerede über Intelligenz

Intelligenz kommt weder von Intel noch von Microsoft, Google oder OpenAI. Viele Menschen scheinen das derzeit gern zu vergessen, aus welcher Motivation heraus auch immer. Es wird beispielsweise sehr viel über das Sprachmodell GPT der Firma OpenAI gesprochen. Ein Teil der Debatten kehrt sich dann immer wieder in seltsame, bisweilen esoterische Richtungen: Es wird der Stand des Machbaren mit dem Denkbaren verwechselt. Da wir weder auf dem Wüstenplaneten zu Zeiten des Mua’dib leben, als die Menschheit nach Beschluss die «denkenden» Maschinen zum Teufel gejagt und den Adel sowie die Religion wieder eingeführt haben, noch im heutigen Los Angeles, in dem kein Blade Runner zur Tyrell Corporation fliegt, um an zweifelhaften Subjekten den Voight-Kampff-Test durchführt, gilt das, was jetzt noch Schwerkraft ist: Maschinen haben weder Bewusstsein, Verstand noch Intelligenz.

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Über ein Brevier hinaus

Jubilare müssen bisweilen postum erdulden, dass aus Marketinginteresse der Verlage eine Unmenge von Büchern den Markt überschwemmen, die das Ziel verfolgen, selbst komplexe Werke von historischen Autoren auf den kleinsten gemeinsamen Nenner von Merkantilität und Inhaltlichkeit zu reduzieren. Meist sind es wieder aufgelegte Kompilationen ohnehin leicht zugänglicher Texte, und wenn der Leser Glück hat, bekommt er nicht nur ein hübsch aufgestyltes Druckwerk, sondern gelegentlich einen aller Wahrscheinlichkeit selbst schon historischen Kommentar, noch seltener einen kritischen Apparat geliefert. Das „Rousseau-Brevier.“ hingegen verdankt sich einem anderen Impuls, selbst wenn es 2012, also im 300. Geburtsjahr des französischsprachigen Schriftstellers, Philosophen, Pädagogen, Naturforschers und Komponisten der Aufklärung erschienen ist. Es mag sein, dass der Titel den Gedanken des potenziellen Käufers auf jene Häppchenware lenkt. Er sieht sich dann wohl enttäuscht, denn wer in drei Sätzen das Leben und Werk Rousseaus durch Bernhard H. F. Taureck und Friedrich Herb kondensiert erwartet, hat ins falsche Regal gegriffen. Die beiden Philosophen haben vielmehr nichts Geringeres unternommen, als Teile von Schlüsseltexten Rousseaus auf ihre Kerngedanken hin zu betrachten, um daraus ein komplexes aber jederzeit nachvollziehbares Storyboard zu entwickeln, mit dem der Leser sich das Gedankengebäude des rigorosen Bekenners und Selbstanalytikers zu erschließen vermag. Taureck kommt hierbei das Verdienst zu, die von ihm besprochenen Auszüge selbst übersetzt zu haben.

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